Faire Gehälter in der Werbeagentur – geht das?
Um das Fazit vorwegzunehmen: Absolut faire Gehälter in Werbeagenturen sind unserer Ansicht nach nicht möglich. Das liegt an den differierenden subjektiven Einschätzungen von Leistung und Engagement. Davon muss man sich jedoch nicht entmutigen lassen. Denn es ist natürlich möglich, mehr Fairness anzustreben und auch zu erreichen. Die Basis für faire Gehälter bilden dabei zwei Grundprinzipien: Transparenz und Partizipation.
Transparenz als Basis für Fairness in Gehaltsfragen
In Branchen, in denen Gewerkschaften und Betriebsräte selten sind, werden Gehälter meist individuell ausgehandelt. Das kann auch bedeuten: Der Lautsprecher, der ambitionierte Forderungen stellt, hat eine gute Chance, bei gleicher Leistung mehr zu verdienen als die zurückhaltendere Kollegin. Da die Gehälter innerhalb einer Agentur meist geheim sind oder zumindest nicht offen diskutiert werden, kann so eine permanente Unsicherheit bestehen, ob man selbst im Vergleich zu den Kollegen nicht zu kurz kommt.
Dem können die Werbeagenturen bzw. Unternehmen ganz einfach begegnen: Einfach die Gehälter offen legen. Das stellt zwar höhere Anforderungen ans Management, z.B. in der Darlegung der Beweggründe für Gehaltsstrukturen, und bringt auch die ein oder andere Unzufriedenheit mit sich. Die positiven Effekte überwiegen aber unseres Erachtens zumindest auf lange Sicht. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass Portale wie gehalt.de und kununu.com ohnehin für immer größere Transparenz sorgen werden. Man kommt also dem allgemeinen Trend lediglich zuvor.
Wenn es der Agentur gut geht, partizipieren die Mitarbeiter
Ein zweiter wesentlicher Punkt ist unserer Ansicht nach, die Mitarbeiter an der Wertschöpfung zu beteiligen. Und zwar signifikant. Wenn z.B. eine Agentur einen Pro-Kopf-Umsatz von rund 100.000 Euro macht und dabei eine zweistellige Umsatzrendite erwirtschaftet, ist ein Incentive wie eine Miet-Harley für ein Wochenende (leider ein reales Beispiel aus einer Frankfurter Werbeagentur) keine angemessene Erfolgsbeteiligung
Gleichzeitig kann es natürlich nicht sein, dass Mitarbeiter signifikant am Gewinn beteiligt werden, von den Risiken jedoch verschont werden. Finanzielle Fairness als ausgewogenes Verhältnis von Risiko und Chance lässt sich durch ein niedrigeres Fixum mit entsprechend hohem variablem Anteil erreichen.
Praxiserfahrungen mit Transparenz und Gewinnbeteiligung
Bei unserer Werbeagentur sind nicht nur alle Gehälter transparent, auch Umsätze und Gewinne werden im Intranet veröffentlicht und sind von jedem Mitarbeiter einsehbar. Außerdem werden alle festangestellten Mitarbeiter und zu einem geringeren Anteil auch die freien am Gewinn beteiligt. Konkret heißt das, 40% des Jahresüberschusses vor Steuern fließen direkt ans Team. (Der Rest dient der Verzinsung des Eigenkapitals, das ebenfalls komplett von Mitarbeitern – festen wie freien, kommt.) Damit erreichen Mitarbeiter unserer Agentur in normalen Jahren ein deutlich überdurchschnittliches Gehalt.
Größere negative Implikationen konnten wir bislang noch nicht feststellen. Allerdings sind wir bislang auch von Krisen verschont geblieben. Inwiefern die Nachteile uns in schlechteren Jahren noch ereilen, wird sich weisen, aber hoffentlich nicht so bald.